Loyale Führung für eine bessere Unternehmenskultur
Eine loyale Führung ist in Zeiten von Fachkräftemangel und Krisen wichtiger denn je! Darüber hat unsere Autorin Miriam Engel (loyalworks) jüngst einen Artikel im Magazin „managerSeminare“ veröffentlicht. Wir sprachen mit ihr im Interview über den Schlüsselfaktor Loyal Leadership:
Loyalität ist Ihre Handlungsmaxime, die Sie jedem ans Herz legen. Welche Bedeutung hat Loyalität heute?
Miriam Engel: Loyalität gehört in meinen Augen zu den entscheidendsten Faktoren, wenn es um die Themen Führung und Beschäftigtenbindung geht. Aktuell ist offensichtlich, wie stark es an Loyalität in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaft fehlt – zahlreiche Magazine berichten über die stille Kündigungswelle, die auf den ersten Blick jeder Logik entsagt: Denn wie können Menschen in einer so unsicheren Zeit mit steigender Inflation freiwillig das Risiko eingehen, auf ihr Gehalt zu verzichten, indem sie kündigen?
Ich wage mich mal vor und versuche eine Antwort darauf zu geben: Äußere Einflüsse stellen Menschen auf die Probe. Fühlen sich Menschen bedrängt, neigen sie dazu, ihre Eigenschaften noch stärker auszuleben als üblich. Die Folge: Charaktermerkmale potenzieren sich. Die Kündigungswelle, die sich aktuell beobachten lässt, zeigt einen dieser Ausschläge an: Wenn mein Gehalt nicht hoch genug ist, um die steigenden Kosten bewältigen zu können, wenn das Risiko zur unberechenbaren Ungewissheit wird... dann kann ich mich auch gleich für das Leben entscheiden, das ich in meinen Träumen führen will. Dann kann ein Arbeitsplatzwechsel es auch nicht mehr schlimmer machen. Dann kann ich auch meinen lang gehegten Traum der Selbstständigkeit jetzt angehen...
Heißt, zu wenig Loyalität im Unternehmen führt zum inneren Rückzug der Beschäftigten?
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Miriam Engel: Ja, sie fangen endlich an, ganz ehrlich zu sich sein. Und wenn sie in sich hinein fühlen – nicht denken! Dann fällt ihnen auf: Nichts ist vollkommen sicher. Ich verstehe diese Menschen. Ich stand 2010 aus anderen Gründen in so einer Situation, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Ich hatte schon lange körperliche Beschwerden, die ich mit Tabletten, Spritzen und Physiotherapie versucht habe, zu unterdrücken. Auf der Spurensuche nach einer Diagnose ging es kaum voran, es wurden nur mehr und mehr Erkrankungen ausgeschlossen, die es nicht waren. Aber was es war, das mir Tag und Nacht, in jeder Minute, mit jeder Bewegung zeigte: Hier läuft etwas absolut falsch! Ich war so unsicher! Ich hatte Angst um mein Leben. Angst, dass sich mein Körper Stück für Stück selbst zerstörte und dass niemand mir helfen konnte. In diesem Moment habe ich gehandelt wie jemand, der gerade erfährt, dass er sterben wird. Ich schrieb mir eine Bucket List, was ich unbedingt noch erleben möchte, und entschied für mich, mein Leben ab sofort nach meinen Bedingungen auszurichten. Zu dieser Lebenseinstellung gehörte für mich, mich nicht mehr fremdbestimmen zu lassen. Ich entschied, meine eigenen Regeln zu machen und machte mich selbstständig. Ich war das erste Mal in meinem Leben so richtig loyal mir selbst gegenüber. Ich fühle, dass es vielen Menschen, die gerade jetzt ihr Leben umkrempeln, ähnlich geht.
Sie sagten gerade, dass Sie sich selbst gegenüber loyal wurden. Was meinen Sie damit?
Miriam Engel: Loyalität geht für mich weit über ein Vertrauensgefühl hinaus und ist letztendlich eine Entscheidung. Loyalität kann bedeuten, dass jemand seinem Arbeitgeber ein Leben lang treu bleibt. Loyalität kann auch heißen, einen Fehler auszubügeln, der einem geschätzten, engen Kollegen unterlaufen ist. Hier geht es über den Vertrauensvorschuss hinaus: Da entschließt sich jemand, sich vor eine andere Person zu stellen, einen Konflikt zu vermeiden oder auch Dinge zu tun, die ihm eigentlich nicht zugeordnet sind. Hier bezieht sich die Loyalität auf eine andere Person bzw. auf ein ganzes Arbeitsumfeld, wenn das Unternehmen, für das man arbeitet, gefühlt zum „zweiten Zuhause“ wird und mit einem stark ausgeprägten Zugehörigkeitsgefühl verknüpft ist. Bei meiner Arbeit mit Teams und Unternehmen arbeiten wir darauf hin, dass eine Basis für eine solche Reziprozität, also Gegenseitigkeit, entsteht. Wenn eine Arbeitnehmerin, wie eben beschrieben, allerdings feststellt, dass sich niemand vor sie stellt, wenn mal etwas schief geht, wird sie sich früher oder später nicht mehr zugehörig fühlen. Sie wird sich zunehmend unbeachtet und abgekapselt von ihrem Arbeitsteam fühlen. Nennen wir es latente Wechselbereitschaft. Dann braucht von außen nur noch ein klitzekleiner Impuls zu kommen, der ihr Fass mit der Aufschrift Solidarität zum Überlaufen bringt. Was wird sie aus Enttäuschung über die fehlende Solidarität ihr gegenüber tun? Sie wird ihren Mut zusammennehmen und eines Tages für sich selbst einstehen und gehen. Sie wird klar definieren, wo ihre Grenze liegt. Das ist Loyalität sich selbst gegenüber.
Meinen Sie, dass ein solcher Moment jetzt bei so vielen Menschen eingetreten ist?
Miriam Engel: Ich halte es für wahrscheinlich. Bei den meisten Menschen, die den Kündigungsschritt gehen, müssen allerdings mehrere Negativfaktoren zusammenkommen, weil wir in unserer Gesellschaft stark für moralische Verpflichtungen sensibilisiert sind. Und gleichzeitig ist es wichtig – nicht nur für unser eigenes Wohlbefinden, sondern auch als Vorbild für unsere Gesellschaft, dass wir lernen, eine loyale Beziehung mit uns selbst zu führen.
Wenn ich mein eigenes Beispiel nochmals anbringen darf: Seitdem ich freiberuflich arbeite, habe ich weniger Beschwerden als zuvor. Ich ordne die Verbesserung meiner Gesamtsituation zum größten Teil meiner überwiegend freien Zeitverfügbarkeit zu; meine Arbeit im Homeoffice abwechslungsreich zu gestalten. Ich möchte nicht die Lanze brechen, dass wir alle selbstständig arbeiten sollten, nein. Aber dass Menschen darunter leiden, wenn sie in ihrer fest definierten Arbeitszeit, in ihrem Arbeitsort, in ihren Aufgaben, in ihrer Art, an berufliche Verpflichtungen heranzugehen und auch noch in der Wahl ihrer Sportangebote und ihrer Gesellschaft während ihrer Freizeit fremdbestimmt werden, „weil wir ja alle eine große Arbeitsfamilie sind“, kann ich diese Form der „Befreiung“ sehr gut nachvollziehen.
Wie sieht loyale Führung konkret aus?
Miriam Engel: Jetzt bin ich mit der „Arbeitsfamilie“ ja gerade schon auf den Punkt Unternehmenskultur zu sprechen gekommen. Damit meine ich nicht die plakativen Schlagworte, die an der Wand hängen, sondern die gelebte Kultur. Wie fühlen sich die Menschen in einem Unternehmen? In wessen Gesellschaft und welcher Umgebung macht den Menschen die Arbeit am meisten Freude? Wie gehen die Menschen dann miteinander um? Welcher innere Impuls sich zwischen „Komm!“, „Geh!“ oder „Bleib!“ einstellt, hängt vom Gefühl ab. Zugehörigkeit wird gefühlt – oder eben nicht. Eine Führungskultur muss heute also auch auf Gefühlsebene stattfinden.
Welchen konkreten Nutzen haben Unternehmen von Loyaler Führung?
Miriam Engel: Was ich häufig in Unternehmen wahrnehme, ist eine Art Abwarten, so wie an einem Zielort anzukommen. Die unausgesprochene Frage lautet: Kommt da noch was von der Führung?
Das Dumme bei Führung ist, dass man sie kaum bemerkt, wenn sie gut läuft, aber es sofort auffällt, wenn sie schlecht ist oder fehlt. Der wichtigste Aspekt, der heute unbedingt dazu gehört, ist Führung auch auf emotionaler Ebene - nicht nur rational. Menschen werden sich immer klarer über ihre eigenen Werte. Das bedeutet, dass auch die Unternehmenswerte ausgelebt werden müssen, um sie für die Beschäftigten erlebbar zu machen: Was heißt es zum Beispiel, Nachhaltigkeit als Wert zu leben? In der einen Firma bedeutet es, den Papiermüll getrennt zu entsorgen, andere erschaffen sich eine komplett autarke Energieversorgung und statten ihre Büros mit nachhaltig angefertigten Büromöbeln aus. Es geht darum, Parallelen zu den Werten im Privatleben der Beschäftigten spürbar zu machen. Explizit in der Führung zeigt sich über die Art zu kommunizieren, wie stark die Loyalität entwickelt ist. Welche regelmäßigen Gespräche finden statt und was genau wird dann besprochen? Besteht Interesse am „ganzen“ Menschen? Wie lösungsorientiert geht man vor? Dürfen Tabus angesprochen werden? Wie geht man mit Fehlern um? Je mehr Übereinstimmungen zur privat gelebten Kultur sich im Arbeitsleben wiederfinden, desto leichter werden sich Mitarbeitende darauf einlassen, die Unternehmung bzw. das Team in ihren „Inner Circle“ aufzunehmen. Ist das erreicht, wirkt sich das direkt positiv auf die Bindung von Mitarbeitenden aus und folgerichtig dann auch auf die Gewinnung neuer Fach- und Nachwuchskräfte.
In Ihrem Buch „Royal führen, loyal handeln“ beschreiben Sie 10 Wege zu mehr Mitarbeitertreue. Möchten Sie drei davon mit uns teilen?
Miriam Engel: Im Prinzip habe ich schon drei Faktoren genannt:
- Prüfen Sie, welche Kultur im Unternehmen wirklich gelebt wird: Welche Werte stehen dahinter? Sind das dieselben, die auf der Website bzw. in der Firmenphilosophie geteilt werden?
- Geben Sie Ihren Mitarbeitenden so viele organisatorische Freiheiten für ihre Aufgabenbewältigung wie möglich. Jeder weiß am besten, wann, wo und wie er oder sie gut und produktiv arbeiten kann.
- Legen Sie mehr Wert auf die Stimmung und das Gefühlsleben Ihrer Leute. Wie geht es ihnen? Was geht in ihnen vor? – Manchmal kann man durch ganz kleine Änderungen viel bewirken.
Wie können Unternehmen nun starten, wie mit Ihnen zusammenarbeiten?
Miriam Engel: Wer im Unternehmen wirklich eine kulturelle Veränderung bewirken möchte, tut gut daran, Team-Tage dafür einzurichten, sich gemeinsam das große Ganze anzuschauen und an der gemeinsamen Vision, den Werten und der internen Kommunikation zu arbeiten. Hier ist es absolut sinnvoll, eine externe Trainerin einzubinden, um den Prozess neutral zu moderieren. Ich nehme dann zum Beispiel auch die Rolle ein, unausgesprochene Reibungen zu platzieren. Wer für sich selbst mehr Klarheit über Führungs- und Kommunikationsstile schaffen möchte, den begleite ich auch gern im Einzelmentoring. Und wer das Thema Führung noch tiefer durchdringen möchte, nimmt an der Qualifizierung ‚Loyale Führung (IHK)‘ teil. Die neuen Termine stehen auf meiner Website loyalworks.de